An einem heißen Dezembertag sitzt Eliyan Umamy auf ihrer Terrasse auf der indonesischen Insel Lombok und füttert ihre Katze Jelly mit rohem Fisch vom Markt. Eliyan liebt Katzen. Sie hat 25. Eine Hälfte hat sie gekauft, die andere Hälfte ist ihr zugelaufen. "Ich glaube, meine Katzen haben ihren Freunden auf der Straße von meinem Haus erzählt und dann wollten sie auch hier wohnen", sagt sie und lächelt. Eliyan hilft aber nicht nur den Katzen aus der Nachbarschaft. In ihrer selbst gegründeten Nachmittagsschule "Eco School" unterrichtet sie mit einem kleinen Team aus Angestellten und internationalen Freiwilligen 120 Kinder. Geld verdient sie damit nicht, im Gegenteil.
Eigentlich wollte Eliyan keine Lehrerin werden. Lehrer verdienen in Indonesien nämlich nicht besonders gut und wenn man so klug ist wie Eliyan, die als Einzige in ihrem Dorf ein Stipendium für die USA erhielt, wo sie auch Klassenbeste war, geht man natürlich in die Hauptstadt Jakarta. Dort gründet man ein Business und verlässt das kleine Heimatdorf, in dem es außer Reisanbau und Marktschreierei kaum andere Businesses gibt. Aber Eliyan ist immer noch in Sengkol, weil sie hier gebraucht wird und jetzt liebt sie es, Lehrerin zu sein.
Wer ist Elyan Umamy?
Eliyan ist die positivste, am meisten schmunzelnste und katzenliebenste Person, die es überhaupt auf der Welt gibt. Wenn sie lacht, muss man auch lachen, wenn man nichts vom Nachtisch nimmt, schimpft sie ein bisschen und dann nimmt man doch was. Sie vergibt Komplimente wie "du bist so klug". Das will man hören, kann es aber nicht annehmen, weil sie doch so viel klüger ist. Während ihres Biologiestudiums in Mataram, Lombok, hatte sie auf Freiwilligenbasis Straßenkinder unterrichtet. Als sie von ihrem Auslandsstudium in Washington, USA, zurückkehrte, war klar, dass sie nichts anderes mehr machen wollte. 2014 zog sie nach Sengkol, wo sie begann, an einer öffentlichen Schule zu unterrichten. Sie mochte das Lehren und fühlte sich an der Schule sehr wohl, aber da war etwas, das sich nicht richtig anfühlte: Die Lehrmaterialien, die Rahmenpläne und die Art zu unterrichten, waren noch genauso wie zu ihrer Schulzeit. "Das Schulsystem hatte sich nicht weiterentwickelt", sagt Eliyan und dann: "Es war nicht gut genug, zumindest nicht für Menschen mit wenig Geld."
Es gibt nämlich sehr gute Schulen in Indonesien, die werden aber privat betrieben und sind teuer. Auf solche Schulen gehen zum Beispiel die Kinder von Digital Nomads. Viele dieser Schulen stehen auf Bali, aber auch auf Lombok ploppen neben chicen Villen am Strand immer mehr Privatschulen auf. Kinder von Reisbauern oder Marktschreiern sind dort eher nicht anzutreffen. Viel eher werden diese Kinder häufig schon mit 16 Jahren Mutter oder verkaufen ab ihrem fünften Lebensjahr Armbänder an Touristen, um die Familie zu unterstützen. Eliyan war auf einer öffentlichen Schule, hat es aber trotzdem "geschafft" und konnte viel Zeit in ihre Ausbildung investieren. Damit gehört sie aber zu den absoluten Ausnahmefällen.
"Du musst kein Reisbauer werden, wenn du nicht willst"
Als Eliyan mit 27 Jahren ihren späteren Ehemann Puji kennenlernt, schließen die beiden einen Pakt: Die zwei wollen kein mittelmäßiges Leben ohne Bedeutung. Sie wollen ihre Kraft dafür einsetzen, Sengkol, Lombok und eigentlich ganz Indonesien zu einem besseren Ort zu machen. "Das geht nur durch eine bessere Bildung", sagt Eliyan. "Wenn die Kinder in Indonesien besser ausgebildet werden, lernen sie mehr Perspektiven kennen. Sie müssen nicht Reisbauern werden, wenn sie das nicht wollen, sie können aber, wenn sie Lust darauf haben." Mehr Bildung wird außerdem zu einer besser funktionierenden Demokratie führen, denkt Eliyan. "Wir haben viele ungeeignete, korrupte Personen in unsere Regierung gewählt. Wären wir klüger gewesen, hätten wir auch klüger gewählt", sagt sie.
So zogen Eliyan und ihr Ehemann Puji eine eigene Stiftung mitsamt Schule hoch: Die Nusa Tenggara for Nusantara Foundation (kurz NTN) und die Eco School. Zuerst unterrichtete Eliyan nur zwei bis drei Mal pro Woche Kinder aus der Nachbarschaft. 2019 kündigte sie ihren Job an der öffentlichen Schule, um ihre gesamte Energie in die Nachmittagsschule zu stecken. "Zuerst kamen nur eine Handvoll Kinder, mittlerweile sind es 120, die aus allen möglichen Dörfern rund um Sengkol zu uns kommen." Das Angebot hat sich seit 2019 stark vergrößert. So lehren Eliyan und die xy Freiwilligen nicht nur klassische Schulfächer, sondern auch "Women Empowerment", Kritisches Denken, und Umweltkunde. Es gibt Workshops, in denen Kinder und Frauen aus der Nachbarschaft lernen, aus Meeresplastik Taschen zu nähen, die sie auf Märkten verkaufen können. Es gibt Kurse, in denen Mädchen selbstbewusste Rhetorik lernen und manchmal gehen einfach alle gemeinsam spazieren und unterhalten sich.
Finanziert wird die Stiftung NTN und insbesondere die Eco School vor allem durch eine Person: Eliyans Ehemann Puji. Bis zu 80 Stunden pro Woche arbeitet Puji als Psychologieprofessor und Polizeiforensiker. Der Großteil seines Einkommens fließt direkt in die Stiftung. Von dem restlichen Geld leben Eliyan und Puji. Mit Pujis Gehalt werden alle laufenden Kosten der Stiftung und Schule gedeckt. Übrig bleibt aber nichts. "Wir würden das kleine Schulhaus gerne renovieren, aber dafür haben wir momentan kein Geld", sagt Eliyan. Das Haus, von dem sie spricht, ist liebevoll gestaltet: Malereien von fröhlichen Kindern und Tieren schmücken die Beton- und Holzwände. Jedes Kind kann an einem eigenen Ausklappschreibtisch arbeiten. Leider ist es wahnsinnig heiß. Eine Klimaanlage ist aber teuer und ergibt sowieso nur Sinn, wenn die Holzwände, die von Wűrmern befallen sind, gegen besser isolierte Wände getauscht werden. Es gibt außerdem nur eine Toilette. Für 120 Kinder. Eliyan schätzt, dass die Renovierung etwa 200 Millionen indonesische Rupiah kosten würde, was ungefähr 10.000 Euro entspricht. Noch mehr arbeiten können Eliyan und Puji aber nicht, der Tag hat ja nur 24 Stunden. Die zwei sind deswegen auf Spenden angewiesen und hoffen, dass über die Weihnachtszeit ein bisschen was für die Kinder zusammenkommt.
Irgendwann in der Zukunft, am liebsten in der näheren, möchten Eliyan und Puji außerdem das Grundstück kaufen, das hinter dem Schulhäuschen brach liegt und derzeit zum Verkauf angeboten wird. "Dort könnten wir ein zweites Schulhaus bauen und noch viel mehr Kindern Raum zum Lernen geben", sagt Eliyan. Außerdem soll aus der Eco School eine staatlich anerkannte Ganztagsschule werden.
Der Wandel passiert schon jetzt
Doch selbst, wenn das Geld zusammenkommt und das Schulhaus renoviert werden kann, bleibt eine Frage: Wie will Eliyan damit Indonesien retten?
Sie sitzt in der Dezemberhitze, krault Jelly am Köpfchen, und während die Katze genüsslich schnurrt, denkt Eliyan kurz nach. „Natürlich muss das indonesische Bildungssystem von Grund auf erneuert werden“, sagt sie schließlich. „Aber je mehr Schülern wir zu einer besseren Zukunft verhelfen, desto mehr werden ihr Wissen weitertragen und die Vision von NTN verbreiten: Ein Indonesien, in dem Bildung und Mitgefühl Hand in Hand gehen. Ein Land, das nie aufhört zu lernen und zu wachsen.“ Für Eliyan bedeutet Rettung nicht nur Reform, sondern auch Geduld und Generationenarbeit. Sie glaubt daran, dass Wandel in kleinen Räumen beginnt, in Klassenzimmern ohne Klimaanlage, an Schreibtischen zum Ausklappen, dort, wo Kinder zum ersten Mal erfahren, dass ihre Träume wirklich wahr werden können.
Dass diese Vision nicht bloß ein schöner Gedanke ist, zeigt ein erstes Beispiel schon jetzt. Eine Schülerin der Eco School hat es bereits „geschafft“. Sie war nie auf einer Privatschule, saß nie in Räumen mit modernen Whiteboards oder internationalen Lehrern, aber nachmittags kam sie in die Eco School, übte Englisch, diskutierte, stellte Fragen, die sie sich früher nie getraut hatte zu stellen. Sie hat nun ein Stipendium und bewirbt sich an mehreren Universitäten, um ihr Studium zu beginnen. /p>